
Wien Museum NEU
Anfang Dezember 2023 wird das Wien Museum nach einer mehrjährigen Umbauphase wiedereröffnet. Die neue Dauerausstellung ist chronologisch angelegt. Sie beginnt mit dem Thema „Naturraum und urbane Umweltgeschichte“. Hier wird am Beispiel des Museumsstandortes Karlsplatz über die Geologie ins Anthropozän geführt.
Das Anthropozän ist eine neue geologische Epoche, die noch heuer von der Internationalen Stratigrafischen Kommission eingeführt werden wird, und deren Beginn durch den Zeitpunkt markiert ist, ab dem der Mensch zu einem geologischen Faktor geworden ist. Dies gilt vor allem seit dem Einsetzen der „Great Acceleration“ in den 1950er Jahren, die sich unter anderem durch Überproduktion, den rasanten Anstieg der Weltbevölkerung und einer nachhaltigen Modifizierung von biogeochemischen Kreisläufen zeigt. Durch menschliche Aktivitäten weltweit werden mehr Erde, Sand und Steine bewegt als durch alle natürlichen Prozesse.
Erster Raum: Naturraum und urbane Umweltgeschichte
Michaela Kronberger und Sophie Insulander, beide Kuratorinnen am Wien Museum, sind für das Kapitel „Naturraum und frühe Gesellschaften“ verantwortlich.
Sabine Grupe übernahm auf Einladung des Wien Museums die externe wissenschaftliche Kuratierung zum Thema „Naturraum und urbane Umweltgeschichte“. Sabine Grupe ist Erdwissenschafterin, Leiterin des Technischen Büros für Geologie der WGM und Verantwortliche für die Hydrogeologische Forschung Wien. So fließen Expertise und die neusten Ergebnisse aus dem laufenden Forschungsprojekt Hydrogeologie von Wien in die neue Dauerausstellung ein. Dies ist im Sinne einer breiten und sofortigen musealen Sammlungstätigkeit (Rapid Response Collecting = Sammlung von Objekten, die noch „warm“ sind).
Erster Raum: Konzept und Elemente
Baumassemodell von Wien: Die Ausstellung geht zeitlich viele Millionen Jahre zurück. Es beginnt mit den Ablagerungen des Ur-Meeres, der Paratethys, die zu einem See wurde, der verlandete und dann von Flussablagerungen überschüttet wurde. Diese geologische Schichtabfolge sowie die flussmorphologischen und siedlungsgeschichtlichen Veränderungen werden auf ein Naturraummodell projiziert, das so die Entwicklung von Wien bis heute zeigt.
Umweltwand zur Umweltgeschichte Wiens mit interaktiven Elementen: Wien wird – ausgehend von der archäologischen Grabung am Karlsplatz - mit globalen Umweltthemen (fossile Brennstoffe, Bodenversiegelung, Radioaktivität, Müll, Abwasser, Straßenbau, Schadstoffe, Hochwasser) verbunden. Diese Diskurswand ist der Auftakt in die neue Dauerausstellung.
„Fenster in die Stadt“: In der Umweltwand gibt es eine Medienstation, die sich unter dem Motto „Zurück in die Gegenwart“ mit brandaktuellen Themen rund um Ökologie und Umwelt beschäftig. Der erste Film dokumentiert die Protestbewegungen der Fridays for Future in Wien. Das Ausstellungsformat ist eine gute Möglichkeit, damit die Dauerausstellung am Puls der Diskursdebatten bleibt. Es verbindet Wien mit der Welt.
Hypothetisches Bohrprofil Karlsplatz mit Vitrinen für Fossilien wie Resten von Mollusken und verschiedenen Wirbeltieren.
Vitrinen, die das Beziehungsgeflecht Naturraum mit den von der Steinzeit bis zum Frühmittelalter im Wiener Raum siedelnden Gesellschaften zeigen.
Erster Raum: Beginn von roten Fäden quer durch Geschichte und Museum
Ausgehend vom ersten Dauerausstellungsraum, dem Naturraum, werden rote Fäden aus der geologischen Vergangenheit mit der rezenten Zeit verschränkt (z.B. Baurohstoffgruben am Wienerberg mit Ziegelproduktion und Ringstraßenbau). So fächern Umweltthemen in andere Räume der neuen Dauerausstellung hinein.
Erster Raum: Das Team
Die Idee, die Dauerausstellung des historischen Museums mit Natur- und Umweltthemen anhand des Standort-Untergrundes beginnen zu lassen, stammt von der Wien Museum - Kuratorin Michaela Kronberger. In der Umsetzung unterstützen sie Sophie Insulander (Wien Museum), Martin Mosser (Stadtarchäologie Wien), Katrin Hornek (Universität für Angewandte Kunst Wien), Severin Hohensinner (Universität für Bodenkultur Wien), Sabine Grupe und Thomas Payer (Stadt Wien; Technisches Büro für Geologie der WGM).

Geologisches Schichtmodell Wien Museum NEU: Der Modellausschnitt in Bereich des Karlsplatzes zeigt das geologische Setting als Blockmodell. Die Bohrungen sind eingeblendet und füllen den Raum. Aus diesen Bohrungen wurde zuerst das Schichtmodell generiert, dann die Blockdarstellung. Das geologische Modell ist 5fach überhöht dargestellt, die Gebäude (Museum und Karlskirche) nicht. Die Kirche liegt am ehemaligen Ufer des Wienflusses und das Museum genau über dem ehemaligen Wienflussverlauf aus 1825. Der Wienfluss wurde im 19. Jhd. reguliert und das Wiental Anfang des 20. Jhd. mit bis zu 15 m Anschüttung (lila) verfüllt, um Platz für die Verkehrserschließung zu gewinnen.
2019 bis 2021 - vor dem Umbau des Wien Museums - wurde das Areal für den neuen Speicher des Museums archäologisch untersucht. Es wurden natürliche Schwemmschichten des Wienflusses, unterschiedliche Straßenniveaus aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert mit viel anthropogenem Material und eine Verkaufshalle aus den 1920er Jahren gefunden. Diese Grabung dokumentiert wie stark sich die Landschaft im Umfeld des Karlsplatzes mit der Zeit verändert hat.
Informationen über Schichten und Aufschlüsse können im Modell abgerufen werden.
Legende für Bohrsäulen und Buttons: